KUNST IST KEIN LUXUS |
"Kunst ist kein Luxus" - Silke Andrea Schmidt Eröffnung der Ausstellung: Samstag, 18. Februar 2006 Öffnungszeiten während der Ausstellung: Ausstellung: 20. Februar 31. März 2006 Ausstellungsraum "Kunst ist kein Luxus" postuliert Silke Andrea Schmidt, Offenbacher Künstlerin und Absolventin der Hochschule für Gestaltung, in ihrer aktuellen Rauminstallation in der Offenbacher Fahrradhalle. Morbide scheint angesichts der versammelten Fotografien und Objekte ein viel zu mildes Wort. Die gesamte Installation strahlt eine Endgültigkeit aus, die den Betrachter verwirrt und betroffen macht. Als sei der vom Menschen geschundenen Kreatur hier ein finales Denkmal gesetzt, zieren Holzkreuze die stützenden Pfeiler der Fahrradhalle, deren Mitte ein aus grün schimmernden Trockenerbsen aufgehäufter Hügel markiert. So drastisch wie dieser unverstellte Blick auf das Leid eines von uns als Nutztier bezeichneten Geschöpfs fallen auch die übrigen Fotografien der Künstlerin aus, die in einer aufwühlenden, zugleich eigenwilligen Passion von Einzelszenen die Wände der Fahrradhalle bespielen. Vergrößerte Farbaufnahmen zeigen Tiere in Lebenswelten aus Beton, Stahl und Asphalt. Es sind Straßenszenen mit toten Füchsen, Dachsen, Hasen, Katzen und sogar einem angefahrenen Pferd. Reflexe, Linien und grafische Elemente sorgen in diesen unterkühlten Dokumenten für eine dynamische Dramaturgie. Der Tod wird hier keinesfalls ästhetisiert, sondern nüchtern konstatiert. Und gerade weil es sich um solch ungeschönte Momentaufnahmen handelt, beeindrucken die Fotografien, in denen die Kamera Distanz überwindet und den Objekten schmerzlich nahe rückt. Verletzungen werden sichtbar, Schutzbedürftigkeit unterstrichen. Dass Kunst kein Luxus ist, scheint hier in mehrfacher Hinsicht offenkundig, denn Silke Andrea Schmidts Installation verlangt eine besondere Art der Rezeption, die weniger mit entspanntem Genuss, sehr viel aber mit emotionaler Reflexion zu tun hat. Und in dieser Erkenntnis schwingt zugleich auch eine Hoffnung auf Veränderung mit. „Im Spannungsfeld zwischen Gegenwart und Nostalgie, Entfremdung und Sehnsucht das gestörte Verhältnis zwischen Mensch und Tier ablesen und den Betrachter damit konfrontieren, ist mein eigentliches Anliegen.“ Silke Andrea Schmidt beschreibt, was für Sie die Triebfeder ihrer Konzept- und Installationskunst ist, die sie seit 1999 in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen der Öffentlichkeit vorgestellt hat. Das Bedürfnis der Offenlegung, das Aufzeigen der immer weiter fortschreitenden Entfremdung zwischen Mensch und Tier - aber auch des Menschen von seiner inneren Natur - teils subtil, teils in schonungsloser Bildsprache steht im Mittelpunkt ihres Interesses. Sie inszeniert mit Leidenschaft gestörte Idylle und visualisiert den hemmungslosen Konsum einer Überflussgesellschaft, geprägt durch den Beziehungsverlust des Menschen zu seiner natürlichen Umgebung. Die Ausstellungen beziehen sich immer auf den Raum, wie etwa „Wunderkammer_und alles Fleisch wird zu Gras..“ (2002) in der Kapelle des Isenburger Schlosses in Offenbach oder „inmausion“ im Büro eines Landtagsabgeordneten in Mainz und folgen inhaltlich einer bestimmten Chronologie, die die Hauptthematik in Variationen visualisiert. Auf eine „Überhöhung des Schönen“ in „The sweetest melody is an unheard refrain“ (2005), in der u.a. ein ausgestopftes weißes Reh inmitten eines raumfüllenden Sonnenblumenkernteppichs liegt, folgte „Kunst ist kein Luxus“ (2006) mit einer Bildsprache, die wesentlich radikaler ins Auge des Betrachters fällt und aufrütteln will - die Kreatur als Ware und als industrielles Produkt, verloren in der hochtechnisierten, modernen Gesellschaft, beraubt jeglicher Würde und Identität. Silke Andrea Schmidt, 1969 in Offenbach geboren, kam nach Abschluss ihres Architekturstudiums in Kassel und Berlin nach Mühlheim zurück und hat in Offenbach an der Hochschule für Gestaltung in den Fächern Kunst und Grafikdesign ihr Diplom erworben. Der Wunsch, ihre eigenen grafischen Kreationen zu verwirklichen, führte 1998 zur Gründung von transform design, die berufliche Plattform für ihre Arbeit als Designerin für namhafte Unternehmen. „Ich möchte eine realisierbare Unmöglichkeit - eine Utopie - schaffen. Visionen ohne Handlungen sind nicht mehr als ein Traum. Handlungen ohne Visionen sind Zeitvertreibung. Visionen, die Handlungen bestimmen, können die Welt verändern,“ davon ist Silke Andrea Schmidt überzeugt. Wie dringend notwendig dies ist, beschreibt Joseph Beuys, dessen Werk einen großen Stellenwert für die Mühlheimer Künstlerin hat: „Unser Verhältnis zur Natur ist dadurch gekennzeichnet, dass es ein durch und durch gestörtes Verhältnis ist. Was zur Folge hat, dass die Naturgrundlage, auf der wir stehen nicht nur gestört, sondern sogar restlos zerstört zu werden droht. Wir sind auf dem besten Wege, diese Basis völlig zu vernichten, indem wir ein Wirtschaftssystem praktizieren, das auf hemmungsloser Ausbeutung von Natur und Tieren beruht. Die brutale Ausbeutung ist die selbstverständliche Konsequenz eines Wirtschaftssystems, dessen obere Richtschnur Profitinteressen sind.“ Text von Christoph Schütte, FAZ, Kultur, 28.03.2006 Junge, Junge. Was für eine Atmosphäre. Hätte man der guten alten Fahrradhalle gar nicht zugetraut. Doch die sakrale Aura, in die Silke Andrea Schmidt den Offenbacher Ausstellungsraum in der Luisenstraße 51 getaucht hat, hat eine derart starke Wirkung, daß man als Katholik, und sei es aus alter Gewohnheit, unwillkürlich nach dem Weihwasserbecken Ausschau hält. Ein Kreuzweg, ein Passionszyklus ist diese auf einen in den Raum gesetzten Grabhügel zulaufende Installation mit Fotos verendeter Tiere, Bergen von Futtermitteln und einer schier endlosen Reihe gut abgehangener Kalbshaxen. Schon immer kreisen die Arbeiten der jungen Künstlerin um die Entfremdung des Menschen von der Natur, um ihre gnadenlose Verdinglichung und, damit verbunden und keineswegs zuletzt, um das Leiden der geschundenen Kreatur.
|
|
|||